Ärztemangel im Norden Bremerhaven testet bundesweit einmaligen Ansatz

Viele Patienten, aber kaum Ärzte: Diese Situation wird sich in Bremen und Niedersachsen weiter verschärfen. Ein einmaliges Projekt soll gegensteuern.
Bremerhaven steht vor einem entscheidenden Schritt in der medizinischen Versorgung: Mit dem Gesundheitshaven startet die Kassenärztliche Vereinigung Bremen (KV Bremen) gemeinsam mit den gesetzlichen Krankenkassen ein Projekt, das nach eigenen Angaben bundesweit einzigartig ist.
Ursprünglich war der Betrieb bereits für Herbst 2025 geplant, nun könnte es ab Anfang 2026 so weit sein. Im Gesundheitshaven sollen zunächst drei Stellen für Haus- und Kinderärzte geschaffen werden – allerdings nicht in Form klassischer Praxissitze, sondern im Angestelltenmodell. Die Ärzte erhalten ein marktübliches Festgehalt, das durch einen variablen Anteil ergänzt wird. Ein Teil dieser zusätzlichen Vergütung fließt in einen persönlichen Fonds, der später als Startkapital für eine eigene Niederlassung in Bremerhaven dient.
Bremerhaven kratzt an der Unterversorgung
Damit will die KV Bremen Mediziner ohne wirtschaftliches Risiko an die Selbstständigkeit heranführen und ihnen den Übergang erleichtern. Zudem stellt die KV Räume, Praxisinfrastruktur und medizinische Fachangestellte bereit, die einen Großteil der organisatorischen Arbeit übernehmen.
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Die Zahlen machen deutlich, warum dieser Schritt nötig erscheint. In Bremerhaven liegt der Versorgungsgrad bei Hausärzten derzeit bei rund 92 Prozent, bei Kinderärzten bei etwa 80 Prozent. Noch gilt das nicht als Unterversorgung im Sinne der Bedarfsplanung, doch jeder zweite Hausarzt in der Stadt ist bereits über 60 Jahre alt – mit Blick auf die Altersstruktur und den Nachwuchsmangel zeichnet sich ein Versorgungsproblem ab. "Wir müssen gegensteuern, um bestehende Praxen zu entlasten und die Versorgung langfristig zu sichern", betonen die KV-Vorstände Bernhard Rochell und Peter Kurt Josenhans.
Bislang kein Modell wie in Bremerhaven
Für das Projekt konnten auch die Krankenkassen gewonnen werden, die jährlich rund 400.000 Euro beisteuern. Die KV Bremen investiert selbst etwa 640.000 Euro zum Start. Finanziert wird der Gesundheitshaven über die regulären Honorareinnahmen aus der Patientenversorgung sowie die zusätzliche Förderung der Kassen.
Die Besonderheit des Projekts liegt in der Verbindung aus Anstellung, Sicherheit und klarer Perspektive auf eine spätere Selbstständigkeit, erklärt die KV Bremen. Bisher existieren in Deutschland zwar vereinzelt Anstellungsmodelle im ambulanten Bereich, doch keines mit einem gezielten Ansparsystem, das Ärztinnen und Ärzte auf den Weg in die eigene Niederlassung vorbereitet.
Damit reagiert die KV Bremen auf die veränderten Erwartungen vieler Nachwuchsmediziner, die sich häufig zunächst anstellen lassen möchten, bevor sie das Risiko einer eigenen Praxis übernehmen. "Hier setzen sie sich in ein gemachtes Nest und können sich auf die Patienten konzentrieren", beschreibt Rochell den Ansatz.
Zahlen für den Norden sind alarmierend
Der Blick über Bremerhaven hinaus zeigt, dass die Herausforderung groß ist. In Bremen versorgt ein Hausarzt im Schnitt 1.369 Menschen, in Niedersachsen sind es etwa 1.356 – beide Werte liegen über dem Bundesdurchschnitt von rund 1.264 Einwohnern pro Hausarzt. In Niedersachsen fehlen nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung derzeit fast 600 Hausärzte, Prognosen gehen bis 2035 von einem Rückgang um mehr als 20 Prozent aus.
Auch in Bremen liegt der Versorgungsgrad nur knapp über 100 Prozent, in Bremerhaven sogar darunter. Besonders problematisch: Der Anteil älterer Mediziner wächst, während der Nachwuchs ausbleibt. Ohne neue Modelle droht sich die Lage zu verschärfen. Der Gesundheitshaven könnte deshalb nicht nur für Bremerhaven, sondern auch als Blaupause für andere Regionen dienen, in denen der Ärztemangel bereits deutlich spürbar wird.
- kvhb.de: "Gesundheitshaven: KV gründet "Startup-Praxis" in Bremerhaven"
- butenunbinnen.de: "Bundesweit einmalig: Neue KV-Arztpraxis in Bremerhaven nimmt Formen an"
- Eigene Recherche